Waffen für Syrien - Expertin Kneissl kritisiert London und Paris
Damaskus/Wien (APA) - Die Nahost-Expertin Karin Kneissl beurteilt das Engagement Großbritanniens und Frankreichs für ein Ende des EU-Waffenembargos gegen Syrien äußerst kritisch. London und Paris verhielten sich wie "alte europäische Kolonialmächte". Dies diene im Fall einer Neuordnung in dem Bürgerkriegsland wohl dazu, "dass man sich dort für den Wiederaufbau Verträge sichert", sagte Kneissl im Gespräch mit der APA.
Seit der Suez-Krise 1956, mit der Großbritannien und Frankreich ihre angeschlagene Großmachtstellung retten wollten, hätten sich die beiden Länder "nicht mehr so weit herausgelehnt". Sofortige Auswirkungen des auslaufenden EU-Waffenembargos auf die von österreichischen UNO-Soldaten bewachten Golan-Höhen erwartet die Expertin allerdings nicht. "Dass Frankreich und Großbritannien jetzt in den Konflikt eintauchen", findet sie zwar "äußerst bedauerlich. Ich glaube aber nicht, dass das die Lage auf den Golan-Höhen in den nächsten Wochen massiv beeinflussen wird."
Kneissl unterstützt die österreichische Position in der Frage des Waffenembargos und spricht sich dagegen aus, dass die EU "offiziell die Schleusen aufmacht". Auch wenn natürlich klar sei, dass Staaten wie Saudi-Arabien oder Katar Kriegsgerät liefern. "Notabene" könnten deutsche, britische oder französische Waffen auch über andere Wege nach Syrien gelangen. Zudem könne nicht sichergestellt werden, dass diese Waffen dann nicht in die falschen Hände geraten. "Wie will man das tun? Mit einem Endverbraucherzeugnis, in dem ein Offizier der Freien Syrischen Armee bezeugt, dass er die Waffe nicht an seinen Freund von der al-Nusra-Front weitergibt?", fragte Kneissl sarkastisch.
Dem Argument, dass London und Paris mit ihrem Agieren vor der für Juni in Genf geplanten Syrien-Friedenskonferenz den Druck auf den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad erhöhen wollen, kann die Expertin wenig abgewinnen. "Der Druck auf Assad ist schon seit zwei Jahren heftigst." Gleichzeitig erklärte sie sich selbst "überrascht", dass Assad sich noch an der Macht hält. Auch wenn viele Weggefährten sich vom Regime abgewendet haben und viele Soldaten desertiert sind, sei es doch "erstaunlich, dass die syrische Armee noch funktioniert".
Eine Erklärung lieferte Kneissl aber gleich selbst nach. Das Regime habe nicht nur wegen der Unterstützung durch die libanesische Hisbollah-Miliz an Terrain gewonnen, sondern auch deswegen, weil die Bevölkerung ihre Loyalitäten wechsle. Wenn zum Beispiel die Rebellen in einer eingenommenen Stadt die Wasser- und Brotversorgung nicht gewährleisten können, dann sagen sich viele Syrer, "die Regierung schafft das besser".
Vor der Genfer Konferenz selbst sieht Kneissl noch "zwei große Knackpunkte": Die Teilnehmerliste und die Tagesordnung. Nach Ansicht der Expertin gehört der Iran mit an den Verhandlungstisch, doch andere Staaten stemmen sich dagegen. Auch Israels Interessen müssten zu Wort kommen - wenn auch nicht direkt durch einen Vertreter Israels. Dass Assad selbst teilnimmt, erwartet Kneissl nicht. "Ich glaube nicht, dass er das Land verlassen wird." Aber das Regime müsse dennoch vertreten sein, etwa durch Außenminister Walid Muallem oder ein Familienmitglied.
Auch die Teilnahme radikaler Kampfverbände wie der mit der Al-Kaida verbundenen Al-Nusra-Front ist unklar. Für den Westen wäre es wohl schwierig, wenn eine Gruppierung dabei sei, die auf einer Terrorliste steht, meinte Kneissl.
Was die Inhalte und Ziele der Konferenz betrifft, seien ebenfalls viele Fragen offen: Geht es um eine Übergangsregierung, die Abhaltung international überwachter Wahlen oder die Absetzung des Assad-Regimes? Es sei beispielsweise kaum vorstellbar, dass ein Regimevertreter an der Konferenz teilnimmt, wenn der Aufbau einer oppositionellen Übergangsregierung auf der Tagesordnung steht, sagte Kneissl.
Kneissl zeigte sich außerdem skeptisch, dass all diese Aspekte noch im Juni "auf einen grünen Zweig" gebracht werden können. Sie plädierte an die Organisatoren, sich "lieber da noch Zeit zu geben, als eine Konferenz vom Zaun zu brechen. Wichtig ist, dass alle wesentlichen Entscheidungsträger mit am Tisch sind".
(APA, 31. Mai 2013, Das Gespräch führte Alexandra Demcisin/APA)